Osthafen Berlin

 

Text und Gestaltung: Daniela Pieper
Titelbild: Stefan Magierski, Osthafen 09. Juni 2017

Osthafen Berlin | Einst ein frequentierter Hafen, heute Sitz großer Medien- und Modeunternehmen

Vielleicht warst Du schon einmal bei unserer Schifffahrt zum Müggelsee-Köpenick oder die 3-stündige Schifffahrt zur Rummelsburger Bucht dabei. Dann konntest Du neben zahlreichen anderen Highlights auch den Berliner Osthafen aus der Wasserperspektive erleben.

Typisch für den langgestreckten Hafen sind seine riesigen Gebäude, die einst als Speicher für Getreide, Kohle, Ziegel und andere Handelsgüter dienten und heute Sitz von bekannten Medien- und Modeunternehmen sind.

In unserem Artikel beleuchten wir für Dich die Entstehungsgeschichte des Osthafens, gehen auf ein besonderes Gebäude ein, in dem u.a. Eier gekühlt wurden und erklären, was es mit dem Schiffswrack “Dr. Ingrid Wengler” auf sich hat.

Achtung: Die Schifffahrt zum Müggelsee-Köpenick findet 2023 voraussichtlich nicht statt! Um sicher zu gehen, schau bitte in unseren Fahrplan > https://www.berlin-cityschiffsfahrten.de/#fahrplan oder in unsere aktuellen Fahrplanänderungen auf unserer Startseite > https://www.berlin-cityschiffsfahrten.de/.

 

 

Foto: Wikipedia, eines der Lagerhäuser im Berliner Osthafen

Der Osthafen ist geschichtlich betrachtet… 

noch gar nicht so alt, denn er wurde erst 1913 in Betrieb genommen. Davor gab es nur den Urbanhafen im Landwehrkanal als einzigen städtischen Umschlagplatz. Doch als Ende des 19. Jahrhunderts der Schiffsverkehr immer mehr zunahm, wurden Stimmen laut, die für den Bau von zwei großen Häfen plädierten –  einen im Osten (Osthafen) und einen im Westen (Westhafen). 

Bereits 1899 gab es einen ersten Entwurf für den Osthafen, der auf dem noch unbebauten Stralauer Anger entstehen sollte. Die Wahl des Baugrundes war ideal, zum einen wegen der guten Anbindung – dank der Oberbaumbrücke und der nahe gelegenen Ringbahn – zum anderen weil sich auf dem Gelände unter anderem schon Lagerplätze befanden.

Foto: Wikipedia, Lageplan des Osthafens von 1913, vorgelegt von Friedrich Krause, einem deutschen Bauingenieur und Baubeamten

Foto: WikipediaBehala-Gelände am Ostbahnhof 2005

Nachdem alle politischen und…

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geklärt waren, erfolgte am 6. September 1907 der erste Spatenstich für den Bau des neuen Hafens. Bis zu seiner Eröffnung am 28. September 1913 wurden mehr als 17 Millionen Mark verbaut. Umgerechnet wären das mehr als 96,9 Millionen Euro (1 Reichsmark von 1913 entspricht etwa 5,70 Euro). Ein Vergleich lässt sich anhand dieser Summe jedoch nicht anstellen, denn mit Sicherheit würden für den Bau eines Hafens in dieser Größenordnung heute weitaus höhere Kosten anfallen. 

Unter der Verwaltung der Berliner Hafen- und Lagerhaus A.G. (BEHALA) ab 1923 erfuhr der Osthafen in den folgenden Jahren eine immer stärkere Nutzung. 1930 lag der jährliche Warenumschlag bei 2,3 Mio Tonnen. Kein Wunder also, dass neue Lagergebäude gebraucht wurden, doch dann kam der Zweite Weltkrieg.

Während des Zweiten Weltkriegs…

war der Osthafen Umschlagplatz für Güter der Wehrmacht und Zwangsarbeitsplatz von Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern. Nach dem Krieg waren 80 Prozent der Gebäude auf dem Hafengelände zerstört. Was vom Hafen noch übrig war, genügte immerhin als Zwischenlager für dringend benötigte Lebensmittel. 

Zu DDR Zeiten befand sich der Osthafen im Grenzgebiet zwischen Ost- und West-Berlin. Dadurch war der Verkehr stark eingeschränkt und verlor durch den Bau der Elsenbrücke zwischen den Jahren 1965 und 1968 sogar einen Teil seiner Freiflächen. Das jedoch hatte keinen Einfluss auf den ständig wachsenden Warenumschlag. Ab 1971 konzentrierte sich dieser vorwiegend auf Baustoffe, weil der Wohnungsbau in der DDR oberste Priorität hatte. 

Nach der deutschen Wiedervereinigung gehörte der Osthafen wieder zur BEHALA. Im Zuge dessen wurden viele Gebäude restauriert und neu vermietet an Unternehmen wie z.B.  den Verlag Neues Deutschland, MTV, Hugo Boss, Esprit oder Tom Tailor. 

Foto: Wikipedia Güterumschlag im Osthafen 1963

Foto: WikipediaDas ehemalige Eierkühlhaus am Osthafen

Bei unseren Schifffahrten…

entlang des Osthafens wird Dir eines der restaurierten Gebäude garantiert ins Auge fallen, das ehemalige Eierkühlhaus. Das Gebäude entstand zwischen den Jahren 1928 und 1929 nach Entwürfen des Architekten Oskar Pusch. Typisch ist sein auffälliges Fassadenmuster, das durch eine große Glasfassade unterbrochen wird. Im Gebäude wurden tatsächlich einmal bis zu 75 Millionen Eier gekühlt

Daneben diente es aber auch als Zwischenlager für sämtliche verderbliche Waren aus dem In- und Ausland, wie z.B. Wein, Butter oder Fleisch. Das Besondere war, dass der Bau über ein ausgeklügeltes Kühlsystem verfügte. Seine Decken und Wänden bestanden aus einer dicken, dämmenden Korkschicht, durch die Temperaturen von bis zu -10 Grad Celsius erreicht werden konnten.

Noch bis zum Ende des Bestehens der DDR wurden hier Westberliner Speiseeis- und Feinfrostprodukte gelagert. Nach der Jahrtausendwende wurde das Gebäude zu einem Büro- und Geschäftshaus umgebaut. Seit 2002 ist der einstige Eierspeicher, wie er auch im Berliner Volksmund genannt wurde, Sitz der Universal Music Group.

Im Kontrast zu…

den zahlreichen modernisierten Gebäuden im Osthafen steht das Schiffswrack Dr. Ingrid Wengler”, das nunmehr seit mehr als 25 Jahren sein Dasein fristet. Kaum vorzustellen, dass das 41 Meter lange Schiff einst ein luxuriöses Passagierschiff mit Schlafkabinen für Touristen aus nah und fern war.

Dabei hätte das Konzept durchaus aufgehen können, zumal die Wasserstraßen nach der Wiedervereinigung in alle Himmelsrichtungen wieder für alle uneingeschränkt befahrbar waren. So jedenfalls waren wohl auch die Überlegungen des Berliner Physikers Günther van de Lücht, der das einstige Frachtschiff aufwändig umgebaut hatte.

 

Foto: Stefan Magierski – Schiffswrack am Osthafen, 16. Juni 2017

Foto: Stefan Magierski – Schiffswrack mit Blick in Richtung Molecule Man

Anfang der Neunziger Jahre…

erfreute sich das Schiff jedenfalls großer Beliebtheit, vor allem weil Touren in die ehemalige DDR sehr gefragt waren. Doch lange sollte das anfängliche Glück des Unternehmers nicht walten, denn alsbald kam es vor allem wegen der maroden Infrastruktur der DDR zu Problemen. Kaputte Schleusen, Streiks oder andere strukturelle Defizite verhinderten die Abfahrt, behinderten das Schiff bei der Weiterfahrt oder zwangen es gar zur Umkehr.

Infolgedessen war van de Lücht gezwungen, den Passagieren ihre Reisekosten zu erstatten. Als feststand, dass das Finanzierungskonzept nicht aufgeht, ging das Schiff in den Besitz der Bank über.

 

 

 

Danach lebte der einstige Eigner…

van de Lücht für mehrere Jahre an Bord des Schiffes, dass inzwischen einen festen Platz vor der Insel Alt Stralau innehatte. Doch nach Ansicht des  Wasser- und Schifffahrtsamtes hatte van de Lücht keine Genehmigung dort dauerhaft zu ankern. So kam es, dass die Behörde im Jahre 1996 das Schiff in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zum Osthafen schleppte. Der Eigentümer verklagte das Wasser- und Schifffahrtsamt, verlor jedoch den Prozess. Unterdessen lag es nun vor Anker und verfiel zusehends, weil es nicht mehr gepflegt wurde. Vandalismus tat sein Übriges. 

Was aus dem Wrack werden soll ist ungewiss. Mit etwas Glück wird es geborgen und gehört künftig zum Bestand des Historischen Hafens Berlin, der mit einem Teil seiner Schiffe in den Osthafen ziehen möchte. 

 

Foto: Wikipedia – Historischer Hafen Berlin ganz in der Nähe unserer Anlegestelle Märkisches Ufer/Fischerinsel

Wenn Du Dir das Schiffswrack aus der Nähe anschauen willst, kannst Du das am Besten während eines Spaziergangs entlang des Spreeufers vom S-Bahnhof Treptower Park in Richtung Innenstadt machen.

Ansonsten empfehlen wir Dir das gesamte Areal des Osthafens per Schiff zu erkunden, z.B. bei einer entspannten Charterfahrt Richtung Müggelsee/Köpenick.